Logik und Kunst.

(Zuerst erschienen in “Das Milieu”, Ausgabe April 2022, https://www.dasmili.eu/art/logik-und-kunst/ )

Ausschnitt Deckengemälde Michelangelos, die Erschaffung Adams. Adams und Gottes Zeigefinger berühren sich fast.

Der künstlerisch schaffende Mensch als Bodenstation des Göttlichen? Michelangelos „Die Erschaffung Adams“ (Sixtinische Kapelle).

 

Das disziplinierte Denken

Logik hat bekanntermaßen eine streng disziplinierende Wirkung auf unser Denken:

  • Es erfolgt in einem klar definierten, limitierten Rahmen/Bereich.

  • Es erfolgt nur in zwei klar definierten Richtungen: deduktiv und induktiv.

  • Es polarisiert in nur zwei Schlussfolgerungen: wahr oder unwahr, richtig oder falsch, ja oder nein.

Diese strenge Disziplinierung ausschließlich auf real wahrnehmbare Phänomene – Materie – hat zu einer spezifischen Geisteshaltung geführt: dem Materialismus.

Wegen der überragenden Erfolge der Logik wie des Materialismus hat sich diese Denkart auf unser gesamtes geistiges und sonstiges Leben und auf nahezu alle Bereiche des Lebens ausgedehnt: die Gefühle, die Emotionen, die Spontaneität, die Intuition, die Kreativität, die Spiritualität, die Mystik.

Der Vernunft und dem realen und mentalen Materialismus ist damit der weit überwiegende Teil unseres menschlichen Lebens, unseres Menschseins, zum Opfer gefallen.

Nur die linke Gehirnhälfte folgt dieser Disziplinierung

Da das logische Denken in der linken Gehirnhälfte erfolgt (die rechte Gehirnhälfte, die sechs Chakren, sowie alle Zellen des Körpers frei bleiben) und im Bereich der Betawellen (die Alpha-, Delta-, Theta- und Gammawellen nicht befasst sind) sind die weit überwiegenden Intelligenzpotenziale des Menschen in diese Disziplinierung nicht einbezogen…

Neben vielen anderen Künstlern hat Joseph Beuys den Antagonismus zwischen Kunst und Logik explizit zu einer Art Leitbild seines künstlerischen Schaffens gemacht. Deutlich wird dies in einer Sendung des WDR vom 13.5.2021 zum Hundertsten Geburtstag von Joseph Beuys „Die Seele des Menschen aufrichten“

Audioaufzeichnung: Radio WDR5 Lebenszeichen: Joseph Beuys “Die Seele des Menschen aufrichten”
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Beuys war der Ansicht, dass die Überbewertung des menschlichen Verstandes zu einer starren, materialistisch ausgerichteten Gesellschaftsstruktur geführt habe.
— Burkhard Reinartz, WDR5

O-Ton Beuys

Wer den Materialismus über alle Probleme der Welt stülpen will, tötet den Menschen ab, weil der eine in Teilbereichen richtige Methodik anwendet auf das Ganze.
— Joseph Beuys
Der Mensch kann mit Wesen sprechen, die höher sind als sein kurzfristiger Verstand. Er kann mit seinem Ich in Kontakt kommen, er kann mit einem Engel sprechen und damit ist ja das Bild des Menschen bis zum Gottesbegriff groß. Und ich möchte es nicht so klein halten, wie es der Materialismus hat schrumpfen lassen.
— Joseph Beuys
Wir haben einen materialistischen Wissenschaftsbegriff, der behauptet, dass alles, was beispielsweise ein Schamane behauptet, nicht existiert. Jetzt tritt ein Mensch auf, der durchaus die Methodik des Materialismus kennt und wieder vorführt, dass es ganz andere Kräfte in der Welt gibt, von denen der Mensch durch die gegenwärtigen Systeme abgeschnitten wird.
— Joseph Beuys
Es gibt eine unsichtbare und eine sichtbare Welt. Zur unsichtbaren Welt gehören die nicht wahrnehmbaren Kraftzusammenhänge und Energieabläufe, gehört auch das, was man gewöhnlich das Innere des Menschen nennt. Der Mensch ist eine Bodenstation für etwas viel größeres und Kunstwerke sind Erdstationen, die etwas aus sich entlassen, was metaphysischen, spirituellen Charakter hat.
— Joseph Beuys
 

Die Defizite der Logik kompensieren

Um andere Künstler in die Diskussion zu bringen: Wolfgang Amadeus Mozart hat in seinen 35 Lebensjahren mehr als 600 Musikstücke komponiert. Mozart: „Ich habe keine Ahnung woher und wie diese Ideen kommen…“ – dies vielleicht zum Thema Bodenstation. Nicht nur Tschaikowsky war der Meinung, Mozarts Musik sei schlichtweg „göttlich“.

Alle Intelligenzpotenziale und Intelligenzen außerhalb der Logik – „die anderen (mindestens) 80 %“ – sind Grundlage und Nährboden für die unterschiedlichsten Formen der Betätigung. Unter anderem sind sie in der Lage, die spezifischen Defizite der Logik: die mangelnde Kreativität, das Ausleben der Emotionalität, die schöpferische Intuition einschließlich Flow, die emotional-körperliche Ekstase bis hin zur mystischen Erleuchtung zu kompensieren. Darüber hinaus sind sie das Fundament für Kreationen (laut Howard Gardner: „Produkte unlogischer Ausprägung“) jedweder Spielart: wie Symphonien, Gemälde, Skulpturen, Bauwerke, Theaterstücke, Opern, Romane, Gedichte, Balladen, Tanztheater Happenings. Picasso meinte: „Wenn ich wüsste, was Kunst ist, würde ich es keinem erzählen.“

 

Wir brauchen die Kunst jenseits ihrer „Tempel”

Das Etikett „Künstler“ war (neben dem des Geistlichen) jahrelang der perfekte, allgemein anerkannte Schutzschild vor der omnipräsenten Logikdominanz.

Eine Flucht in die Kunst war der allgemein akzeptierte Freiraum vor der Diktatur der Vernunft.

Eine durch „Logik-Overkill“ verursachte „Verkopfung“, emotionale Verkümmerung und Empathielosigkeit lässt sich durch das Erleben beispielsweise einer Beethovensymphonie, einer Monet- oder Picasso-Ausstellung oder einer rauschenden Tanzpartie bis zur Ekstase aufbrechen und wenigstens abmildern; verbunden mit Kreativitäts- , Intuitions-, und Empathieschüben.

In den „Tempeln der Kunst“, den Bilder- und Kunstgalerien, Opern- und Konzerthäusern, Tanzpalästen, Musikfestivals und den Woodstocks dieser Welt hat die Vollständigkeit und Unversehrtheit des Menschseins „überlebt“. Dies gilt zumindest in den westlichen Kulturregionen. Die ostasiatischen Kulturen waren hier generell offener und kultivierten dies unter anderem in ihren Klöstern.

Einen weiteren Freiraum gegenüber dem Logik-Overkill bildet sicherlich der Genuss der kunstvollen Schöpfung der Natur wie z.B. das „Waldbaden“.  

Wir werden ein ausgiebiges Eintauchen in die Kunst dringend benötigen, um die vollständige und vollkommene Ausschöpfung unserer Intelligenzpotenziale zu ermöglichen.

 
 

Über den Autor:

Fritz Kröger, 1944 geboren, studierte Betriebswirtschaft und Wissenschaftstheorie und promovierte 1973 über Soziale Macht. Bis 2009 leitete er als erfolgreicher Unternehmensberater Projekte in Europa, den USA und Japan. In dieser Zeit veröffentlichte er zahlreiche Bücher, unter anderem die Bestseller "After the Merger" und "Merger Endgames". In seinem aktuellen Buch „Intelligenz jenseits der Logik, die anderen 80 Prozent“, kritisiert er den Ausschließlichkeitsanspruch der Logik und plädiert für die Freisetzung der vier anderen Intelligenzpotenziale. Der Autor lebt in Berlin und in Mecklenburg.

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“Die Menschen im Herzen erreichen” (Radio-Interview Bergische Welle)